Es wird ernst! Für mich ist es soweit. Für morgen stehe ich auf der Fightcard . Und es geht gegen Frankreich.

Ein bisle Gewicht muss ich noch machen, also gehe ich wieder Abends springen. Nur kurz, dann geht es früh zu Bett.

Ich kann nicht schlafen. Daddele am Netbook herum und quatsche mit der Heimat.

Ich sammele Glückwünsche wie Briefmarken. Bekomme sogar vom Heimatverein einen Sammelgruß live aus dem Training… das haut mich dann um 🙂

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Am nächsten Morgen stehe ich bereits um 5.00 Uhr auf und gehe nochmals schwitzen.

Um 6.30 Uhr treffe ich Frank, der mit mir zum Medical Check geht. Alles gut, Gewicht passt: 50,7kg. Ich fühle mich gut.

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Das ganze Team steht hinter mir, ich bekomme guten Zuspruch, Motivation und immer wieder einen aufmunternden Klopfer auf die Schulter. Das tut gut und ich freue mich richtig auf heute Nachmittag.

Doch dann fahren die Gedanken doch langsam Achterbahn und die Gefühlszustände wechseln im Minutentakt von himmelhoch jauchzend bis verkrampft-nach-Motivation-suchend. Einerseits bin ich nun richtig heiß auf den Kampf, dann, nur eine Minute später stehe ich mitten im Zimmer und denke mir „Warum mache ich so einen Blödsinn überhaupt?“. Dann wieder ein Wechsel… ich schaue auf die Uhr und habe irgendwie keine richtige Lust heute irgend etwas zu tun. Kämpfen? Och nö, warum nicht an den Pool?!? 😛

Dann steigt der Puls gefühlt wieder auf 180 und ich versuche mich auf den Kampf zu fokussieren. Sehe die Gegnerin aus der blauen Ecke kommen, sehe mich die erste Aktion setzen. Ich boxe, sie versucht einen Highkick, ich weiche aus… Schnitt. Ich schaue in den Spiegel…und habe schon wieder keine Lust. Dann sehe ich durch den Spiegel hindurch meine von Freunden unterschriebene Motivationsflagge da liegen. Doch! Ich habe Lust! Ich will kämpfen! Jetzt gleich!

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Dieses Gefühls-Hin-und-Her geht so weiter bis zu dem Moment, in dem wir uns in der Lobby treffen. Ab hier habe ich gar keine Gelegenheit mehr, groß über den Kampf nachzudenken. Wieder steht das Team um mich herum und selbst die Kleinen motivieren mich!

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Los geht’s zum Stadion.

Hier haben wir noch kurz die Gelegenheit, ein Gruppenfoto zu machen, dann geht es in den Backstage Bereich zum Warm Up.

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Die Schienbein- und Ellenbogenschoner bringen mich spontan zum Lachen. Manch eine meiner Socken ist dicker als dieser „Schutz“!! Aber da ich auch schon einige Male ganz ohne Schutz gekämpft habe, ist es mir relativ egal, was ich da an den Füßen und Ellenbogen habe. Dafür ist der Kopfschutz recht bequem, was mich wiederum überrascht. Positiv.

Oh, wir sind schon dran! Wir werden extra von einem Supporter abgeholt und zum Ring geführt. Ein „Service“, den man sich gut einmal für die Events daheim abschauen könnte. Das unterstützt die Trainer ungemein.

Wir stehen am Ring, der Kampf vor meinem beginnt gerade. Wir sollen uns setzen.

Boss Detlef wagt sich verbotenerweise nochmal zu uns an den Ring, obwohl er als Präsident hier unten laut der Organisation nichts zu suchen hat. Das ringt mir ein dankbares Lächeln ab, aber dann zwinge ich mich zu einem grimmigen Gesicht.. denn Detlef macht ein Foto von uns… gelingt mir nicht 100%ig 🙂

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Dann kurze Aufruhr. Der Kampf Phillippinen gegen Indien ist vorbei, bevor er richtig begonnen hat: TKO in der ersten Runde. Indien ist raus. So schnell kann das hier also gehen. Ich schlucke kurz das aufkommende Kopfkino runter und konzentriere mich nun ganz auf das, was vor mir liegt.

***

Wai Kruh. Shake Hands. Die Glocke ertönt.

Wir kommen uns entgegen. Für eine kurze Sekunde überlege ich, ob ich die Gegnerin doch lieber erst „abtasten“ soll. Dann wische ich den Gedanken weg. Ich muss Druck machen! Haben alle gesagt! Ich mache Druck! Gehe nach vorne.

Ich boxe. Sie versucht einen Highkick. Ich weiche aus. Mache Druck nach vorne.

Aber ich komme mir vor, wie in Zeitlupe. Die Französin ist schnell. Fängt mich ab. Ich versuche es anders, höre auf die Ecke und versuche eine Kombination, gefolgt von einem Lowkick auf ihr rechtes Bein. Sie ist Rechtsausleger. Sie zieht das Bein weg und kontert. Trifft. Ich versuche es mit einem rechten Haken. Der sitzt. Ich setze nach und kassiere meinerseits Treffer. Dann gerate ich das erste Mal in den Clinch. Hier wollte ich gar nicht hin! Ich vesuche mich zu befreien, trete aber mit um nicht inaktiv zu wirken. Kurz komme ich aus der Umklammerung raus, dann hänge ich auch schon wieder drin und mache Bekanntschaft mit dem Boden. Ich hasse diese Nummer! Aber ich versuche mich zu beruhigen und mache weiter Druck nach vorne. Dann der Gong. Das sollen drei Minuten sein?!?

In der Ecke höre ich das, was ich vermutet hatte. Da die Gegnerin größer ist, sollte ich lieber erst kicken, dann boxen. Roger. Gespeichert. Weiter Druck machen, rechte Gerade, linker Haken. Klingt so einfach! Die Pause ist vorbei…weiter geht’s.

Zweite Runde. Verdammt, jetzt hat Djedidi  (Name der Gegnerin!) sich auf mich eingestellt und kurz komme ich mir vor, wie in meiner ersten Muay Thai Stunde.
Ich kicke. Auf ihr rechtes Bein. Setze mit Boxen nach…und stecke im Clinch. Verdammt! Ich versuche mein Bestes, hier wieder herauszukommen. Wieder mache ich Bekanntschaft mit dem Ringboden. Das nervt! Mach doch mal was anderes! Ich jage Djedidi quer durch den Ring, gehe fast nur vorwärts. Trotzdem finde ich kein Mittel. Keinen Eingang. Dann legt die Französin selbst den Vorwärtsgang ein und ich muss einige Sekunden scharf aufpassen. Sie liebt wie schon zuvor angenommen die hohen Kicks. Einigen kann ich ausweichen. Dem ein oder anderen nicht. Aber es steckt kaum etwas dahinter. Die Treffer spüre ich kaum bis gar nicht. Ich versuche sie zu bremsen und gehe meinerseits nun wieder vorwärts. Und liege wieder auf der Schnauze.

Nun bin ich sauer! Fluche in mich hinein und renne blind…in den Clinch. Das musste nun auch wieder nicht sein!! Der Gong. Zweite Pause. Ich weiß, ich habe nun schon zwei Runden verloren. Das ärgert mich, denn ich höre jedesmal im Clinch, wie meine Gegnerin aus dem letzten Loch pfeift. Sie kann doch kaum mehr…warum nutze ich das nicht? Sie ist einfach zu schnell.

Jupp und Frank tun alles, um mich nochmal zu motivieren. Und auch ich selbst motiviere mich. Ich weiß, dass der Zug abgefahren ist. Nur noch ein Knock Out (sehr unwahrscheinlich!) könnte mir helfen. Gegen die amtierende Meisterin. Ja ne, is‘ klar!
Aber ich bin nicht hergekommen und habe die Arbeit der letzten Monate auf mich genommen um jetzt einfach so aufzugeben. Dafür habe ich nicht de Geduld und Nerven meiner Freunde und Familie strapaziert! Ich habe versprochen, ich mache es dem Gegner so schwer wie möglich! Und ich halte meine Versprechen!

Dritte Runde. Ich lösche die ersten Runden aus dem Kopf und marschiere wieder vorwärts. Allerdings trifft mich die Französin immer wieder und hat sich voll und ganz auf mich eingestellt. Man merkt die Erfahrung ganz klar. Immer wieder muss ich ausweichen und den Vorwärtsgang unterbrechen, sonst fange ich mir noch einen Frontkick ins Gesicht. Einen Ellenbogen fange ich…wieder einmal mit dem Gesicht… aber das interessiert mich nicht. Der Treffer bringt mich nah genug heran um selbst Treffer zu landen. Na geht doch! Immerhin mal getroffen! Es geht dem Ende zu und aus einem Clinch heraus bemerke ich erst einmal, wie heiß es hier unter dem PVC Dach ist! Ich wundere mich kurz, warum ich eigentlich noch so fit bin und schiebe das dankbar meiner tollen Ecke in die Schuhe. Das gibt noch mal einen Motivationsschub! Wieder nach vorne. Treffer. Aber ich kassiere auch. Dann ist es vorbei. Ich gebe meiner Gegnerin als ehrlicher Verlierer die Hand, gehe in die gegnerische Ecke und bedanke mich für den Kampf…und diese Lehrstunde.

Ich weiß ich habe verloren. Aber irgendwie habe ich auch gewonnen. Ich habe gelernt. Viel gelernt. Meine Ecke hilft mir aus den Klamotten, Frank reicht mir meine Fahne. Kurz bin ich unsicher, ob ich sie haben möchte… dann nehme ich sie doch! Ich habe das getan, was ich versprochen habe… zu mehr hat es leider nicht gereicht. That’s life! Ich lege die Fahne um die Schulter, meine Gegnerin tut es mir gleich. Wir stehen in der Ringmitte und ich höre zum ersten Mal mein Team hinter mir. Dann wird das Urteil verkündet.

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Raus. Gegen Frankreich. Für mich ist sozusagen der World Cup beendet. Ich mache gute Miene zum bösen Spiel, höre mir die gut gemeinten Zusprüche an.

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Ich bin mir noch nicht sicher wie ich mich jetzt fühle. Ich ärgere mich, da ich Fehler bei meiner Gegnerin entdeckt habe. Ich ärgere mich, dass ich diese Fehler nicht zu meinem Vorteil nutzen konnte. Aber ich bin auch stolz. Meine Kondition war besser, ich bin nach vorne marschiert. Wie versprochen! Ich war dabei! Das war immer mein Traum!

Die ersten Leute anderer Länder kommen auf mich zu. Schütteln mir die Hand und rufen „Congratulations!“ Für was?!?
„Great fight!“, sagen sie, geben einen „Daumen hoch“ und ziehen wieder weiter. Lassen mich verdutzt stehen. Mein Team steht bei mir. Ich gehe wieder in den Backstage Bereich und ziehe mich um. Ich war heute der einzige Kämpfer, das heißt für den Rest des Tages ist frei.

Mit gemischten Gefühlen geht es mit dem BTS zurück zum Hotel. Alle erkundigen sich nach meinem Befinden. Alle haben ein gutes Wort übrig. Das hilft. Aber ich weiß immernoch nicht so recht, wie es mir eigentlich geht. Körperlich gut. Nichts abbekommen… aber das Ego ..naja.. Ich vertage diese Entscheidung und gehe daheim erstmal duschen. Von Kämpfen will ich gerade nichts wissen… eine Minute später will ich schon wieder ran… ich schaue in den Spiegel, habe Kopfkino. Geht das schon wieder los!!! 😛

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Indy

Von Indy

Indy ist MuayThai Kämpferin & passionierte Backpackerin aus Deutschland, arbeitet selbständig als "Sport & Media Entrepreneur" und Blogger und hat ein Faible für ausgedehnte Fern-(Sport & Abenteuer-) Reisen.

3 Gedanken zu „IFMA Royal World Cup Fight Day! France vs. Germany“
  1. Geile Nummer Nina, diese Erlebnis kann Dir keiner nehmen und die befürchtete Prügel hast Du auch nicht bezogen 😉
    also sein einfach stolz auf Dich!!!

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