Wir sind erfolgreich bis zu „Las siete Lagunas“ vorgedrungen… jetzt geht’s weiter…

Es ist soweit. Wir greifen den Gipfel an!

Maike folgt mir auf dem Fuß, ich stratze voran. Die Kamera immer im Anschlag.

Ein letzter Blick zum Ziel: Mulhacén
Ein letzter Blick zum Ziel: Mulhacén

indyvoran

Über einen sehr schmalen Pfad geht es steil bergauf. Links und rechts liegt Geröll in den unterschiedlichsten Größen herum. Alles überwiegend Glimmerschiefer, der als Frostschutt hier herumliegt als hätte vor Urzeiten ein übergroßer Bagger sein Unwesen getrieben.

Eben dieser Schutt macht den Aufstieg zu den drei größten Bergen der hiesigen vierzehn 3000er (Mulhacén, Pico de Veleta und Alcazaba) so gefährlich. Von unten wirken sie recht unscheinbar, erst recht wenn man von den „einfachen“ Seiten kommt. Aber alleine die Region hat es schon in sich. Dieser Teil der Sierra Nevada ist eher karg und für seine schroffen Winde berüchtigt. Plötzlich umschwingendes Wetter und unvorhersehbare Böhen haben hier sogar schon Todesopfer gefordert…und uns letztes Jahr das Leben schwer gemacht.

muhacen-aufstieg

Die Landschaft hier ist derart weitläufig, dass man Probleme beim Schätzen von Entfernungen bekommt. Zwar kann man auf Fotos einigermaßen erahnen wie weit sich das Gebirge erstreckt. Eher „kürzere“ Distanzen einzuschätzen ist allerdings beinahe unmöglich. Anstiege sehen beiweitem nicht so steil aus, wie sie schlussendlich sind. Geröll und Schutthaufen sehen beiweitem nicht so instabil und gefährlich aus, wie sie sich mit der Zeit auf der Strecke entwickeln. Dadurch kann man auch schnell mal das Terrain unterschätzen. Eine Tatsache, die vielen auch zum Verhängnis werden kann, hier auf „NUR“ 3000m.

Nach einiger Zeit sehen wir über uns eine weiße Fahne wehen. Und weiter geht es nicht! Wir sind da! Der Gipfel liegt knapp vor uns! Aber nein. Beim Näherkommen fällt uns auf, dass hier jemand nur seine Oberbekleidung abgelegt und an einen Felsen gebunden hat. Ein Scherz? Oder soll dieser Punkt eher den „Mulhacèn II“ (3362 m) anzeigen? Maike beweist wieder rege Phantasie und flucht vor sich hin… aber helfen tut uns das nicht. Für uns geht es weiter bergauf. Dann haben wir es fast geschafft. Etwa 10min. (schätze ich!!) sind es noch zum Gipfel, da höre ich plötzlich ein Gerräusch. Alarmiert drehe ich mich um und schaue, ob Maike hinter mir ist. Ist sie. Dann schaue ich ob ich die Richtung ausmachen kann, aus der das Gerräusch gerade kam. Beim letzten Mal, als ich so etwas hörte, gabs eine böse Überraschung. Maike fragt mich beunruhigt, was denn los sei. Aber bevor ich nicht weiß ob ich mich verhört habe, möchte ich keine schlafenden Hunde wecken. Doch dann höre ich das Geräusch erneut. Ein langgezogenes Heulen, gefolgt von einem scharfen Rauschen. Eine Windböhe! Ich rufe

„Deckung!“

ramme meinen Stock ins Geröll und knie mich hin. Maike dreht sich verwundert in Richtung des Gerräuschs…und wird sofort von den Füßen gerissen. Ihre Mütze fliegt ihr vom Kopf. Bevor sie unkontrolliert fällt, schmeißt sie sich der Länge nach in den Dreck. Der Anblick ist so komsich, dass ich lauthals loslachen muss. Das panische Gesicht, was nun folgt, sorgt bei mir für einen Beinahe-Herzinfarkt und mir kommen nun vollends die Tränen. Ich spurte hinter Maike’s Mütze her und bekomme sie zu fassen.

„Was war das denn??“

fragt Maike mit noch immer leicht panischem Unterton.

Ich kann mich leider vor Lachen immernoch kaum halten und dank Lachkrampf und dünner Luft im Moment nicht antworten. Maike steigt in das Lachen mit ein, als ich ihr ihre Mütze in die Hand drücke.

„Windböhe.“

kommt mir kurz und knapp über die Lippen. Dann drehe ich mich wieder dem Berg zu und versuche ohne weiteren Lacher den Weg zum Gipfel hinter mich zu bringen.

Ganz gelingt uns das nicht. Immer wieder prusten wir los. Immerhin verkürzt uns das gefühlt den anstrengenden Weg nach oben.

Dann haben wir es endlich geschafft. Der höchste Punkt der Sierra Nevada liegt nun ohne jeden Zweifel vor uns.

Bunte Fähnchen signalisieren: Ihr seid oben!

Mulhacén: 3482m
Mulhacén: 3482m

Erleichterung macht sich breit und wir berühren andächtig den Gipfel-Schrein.

(Erst dann war man nämlich wirklich „oben“ 😛 )

Als Dank für sicheren Auf- und hoffentlich auch Abstieg opfert jeder von uns ein Stück Proviant. Ein wenig Aberglaube schadet nie! Dann haben wir ein paar Minuten, uns umzuschauen. Ich kann es nicht lassen und klettere auch die letzten Zentimeter zu einem eher hässlichen Betonklotz, der hier wohl das Gipfelkreuz ersetzt. Ich nähere mich der Felskante und wage einen Blick nach unten…

Mulhacen: 3482m - Blick nach unten
Mulhacen: 3482m – Blick nach unten

Da geht’s verdammt steil bergab! Die Nordseite des Mulhacén sieht ganz anders aus, als alle anderen. Noch steiler, schroffer, gefährlicher. Auf keinen Fall etwas für Anfänger!

Geschafft! Ich bin ein Gipfelstürmer! ;-)
Geschafft! Ich bin ein Gipfelstürmer! 😉

Mir selbst flöst der Anblick dann auch sogar genug Respekt ein und ich halte mich lieber am Betonklotz fest.

...geht ganz schön steil runter da!
…geht ganz schön steil runter da!

Auch Maike wagt sich bis hier herauf. Zusammen schauen wir uns um und lassen den Anblick der schroffen Bergwelt auf uns wirken.

Nach zwei Fehl-Anläufen endlich geschafft: Maike steht auf dem Mulhacén!
Nach zwei Fehl-Anläufen endlich geschafft: Maike steht/kniet auf dem Mulhacén! 😉

Von hier oben kann man die umliegenden Täler und Lagunen sehen, aber auch andere 3000er gelangen in unser Blickfeld.

mulhacen-gipfel2

mulhacen-gipfel3

Dann fällt uns plötzlich ein kleines Detail auf…

Wolken!?

Wo kommen die denn so schnell her?!?

Zeitgleich mit diesem Gedanken setzt der Wind ein. Und nimmt mit jeder Minute zu.

Erneut müssen wir zusehen, dass wir schnellstens vom Gipfel herunterkommen, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Letztes Jahr hätte unsere Aktion schon gut in die Hose gehen können… das muss und darf sich so diesmal nicht wiederholen! Ich treibe Maike zur Eile an. Beim Anblick der sich auftürmenden Wolkenberge muss ich das allerdings gar nicht. Sie rauscht an mir vorbei und macht sich auf den Weg ins Tal.

Ich folge ihr auf dem Fuß, ein kurzer Blick geht nochmal auf den Gipfel zurück. Trotz der nun aufkommenden Eile lasse ich noch einmal den Moment auf mich wirken. Schnaufe tief durch und mache mich dann ebenfalls auf den Weg.

Dunkle Wolken ziehen auf...kein Spaß auf dem höchsten Gipfel
Dunkle Wolken ziehen auf…kein Spaß auf dem höchsten Gipfel der Region!

Wir kommen nur einige Meter weit, da blitzt es plötzlich neben uns. Kurz überlege ich, ob ich Maike Bescheid geben soll. Neee…lieber nicht. Weiter runter! Bei Blitz und Donner auf dem höchsten Berg der Region zu stehen ist

mal wieder (!)

keine gute Idee!

Doch dann blitzt es erneut und diesmal sieht Maike es auch.

Wir legen an Tempo zu und rennen beinahe den Berg runter. Allerdings könnte auch das gefährlich werden also schlage ich lieber einen kleinen Umweg ein und drossele das Tempo. Maike ist neben/ hinter mir und blickt – wie ich – immer wieder besorgt auf die näherkommenden Wolken. Diese haben sich scheinbar nun in dem Tal verfangen, in das wir zurück wollen.

Ich bringe etwas Distanz zwischen uns und die Felskante, die unten in das Tal führt, und entferne mich damit von der größten Wolke. Im Tal selbst scheint es bereits aus Eimern zu regnen. Wir hier oben, abseits des Gewitters, bekommen noch nichts ab. Kein Grund, zu trödeln! Weiter geht es ins Tal.

Abstieg ins Tal: Drohendes Gewitter treibt zur Eile
Abstieg ins Tal: Drohendes Gewitter treibt zur Eile!

Durch den Umweg sehen wir nun auch, wo man als nicht allzu Trekking-Begeisterter herkommt um auf dem Mulhacén zu landen. Bis kurz unter den Gipfel führt hier tatsächlich ’ne Straße hin!! Ich lasse die Straße wieder rechts liegen und nähere mich wieder mehr der Felskante, die ich eben versucht habe zu meiden. Zu weit dürfen wir nicht vom Kurs abkommen, sonst verfehlen wir den Pfad zum Abstieg. Die Wolken um uns herum werden immernoch dichter…und in der Ferne höre ich das erste unheilvolle Donnergrollen.

Gerade habe ich mich selber motiviert, dass wir nun schon weit genug abgestiegen sind um nicht mehr vom Blitz getroffen zu werden, da stellt Maike von hinten die entscheidende Frage:

„Was mache ich eigentlich, wenn du gleich vom Blitz getroffen wirst?“

Ich stehe an der Kante eines großen schroffen Felsens und will gerade eine Etage tiefer springen… bei der Frage im Nacken hätte ich mich beinahe auf die Schn**ze gelegt…

Ja…was dann?!?

Kurz überlege ich…bekomme Kopfkino und sehe mich wie ein Brathähnchen auf einem der Felsen schmoren.

Quatsch!

Weg mit dem Gedanken! Uns kann hier nichts mehr passieren!

„Einfach weitergehen!“

Sage ich GANZ COOL zu meiner Kameradin *schluck* und gehe weiter.

Die Luft lädt sich spürbar auf und plötzlich habe ich das Gefühl, ich könnte die Luft vor mir mit einem Messer zerschneiden. Aus einer Eingebung heraus knie ich mich hinter einen weiteren großen Felsen und bedeute Maike, es mir gleichzutun. Kaum hockt sie neben mir, knallt es über unseren Köpfen. Ich vernkeife mir ein aufkommendes Lachen. Maike kann so unglaublich lustig gucken, wenn ihr etwas nicht geheuer ist!! 😀 Die Luft ist nun deutlich „klarer“ und wir hasten weiter. Dann wieder das gleiche: sobald wir das Gefühl haben, die Luft lädt sich auf, knien wir uns hin. Nach dem darauf folgenden Knall geht es dann zügig aber konzentriert weiter ins Tal. Zwischendurch hat irgendwann der Regen eingesetzt. Aber wir nehmen ihm kaum wahr. Wichitger ist, sicheren Trittes die Lagunen zu erreichen.

Beim Abstieg fängt es an zu regnen.
Beim Abstieg fängt es an zu regnen.

Dann sind wir endlich an unserer Höhle angelangt. Das Gewitter hat sich weitestgehend verzogen. Aber die Regenwolken sind noch da. Und der Wind.

Kurzer Equipmentcheck…alles noch da. Jetzt müssen wir uns vor dem Wetter schützen!

Wir finden abgestorbene Wurzeln der hier wachsenen Bodendecker und sammeln so viele, wie wir können. Dazu gibt’s Pferdemist und Kuhdung… dass das gut funktioniert, wissen wir ja schon! 😛

Weil noch zu viel Wind in die kleine Höhle schlägt, schichte ich so schnell wie möglich noch einige Schiefernplatten und Steine auf. Dann versuche ich mit einer gefundenen Plane so gut wie möglich den Eingang abzudichten. Allerdings lasse ich genug Luftlöcher, damit später der Rauch unseres hoffentlich funktionierenden Feuers abziehen kann. Da oben auf meinem „Dach“ halte ich nochmals inne und verschnaufe kurz. Auch wenn wir nun mal wieder aufpassen müssen keine Fehler zu begehen und unsere Aktion schon lange kein „normales Trekking“ mehr ist, genieße ich das hier sehr! „Urlaub“ ganz nach meinem Geschmack! Was hab‘ ich das vermisst! Irgendwann bin ich dann tatsächlich zufrieden mit meiner Arbeit und mir fällt jetzt erst auf, wie weh mir meine Knie schon wieder tun. Egal. Wir waren oben! Das zählt!

Notunterkunft in den Bergen
Notunterkunft in den Bergen. „Urlaub“ wie ich ihn mag! 🙂

Und nun zählt noch, ein leckeres Essen hinzubekommen! Nach stundenlanger Steigerei hab‘ ich nämlich jetzt tatsächlich Hunger!

Das Wetter beruhigt sich etwas und gibt mir die Chance, mich etwas umzusehen. Zwar sind wir hier oben schon oberhalb der Baumgrenze, aber Kräuter gibt es hier en masse. Und Brennesseln. Ich bin begeistert. Ich mache mein Söldnergeschirr damit voll und kehre zur Höhle um, bevor mich der erneut einsetzende Regen völlig durchnässt. Maike hat derweil noch mehr Brennmaterial gesammelt. Zusammen ziehen wir uns in die Höhle zurück.

Und tatsächlich. Unser Feuer funktioniert. Wieder baue ich aus den Schiefern eine Art Ofen. Dieser spart nicht nur Brennmaterial, sondern heizt jetzt die ganze Höhle. Eine Tatsache, die uns später noch helfen wird.

Festmahl nach Gipfelbesteigung
Festmahl nach Gipfelbesteigung

Currywurst und Nudeln mit Brennnesselspinat und Erbsen… ein Festmahl zum Abschluss dieses spannenden Tages verleitet Maike zu einem eher komödiantem Video-Resumée…wieder ist die Luft in den Lagunen erfüllt von schallendem Lachen!

*****

Wie geht’s weiter in der Sierra Nevada?

Bleibt am Ball und schaut nächste Woche wieder vorbei! 😉

 

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Yours, Indy

Von Indy

Indy ist MuayThai Kämpferin & passionierte Backpackerin aus Deutschland, arbeitet selbständig als "Sport & Media Entrepreneur" und Blogger und hat ein Faible für ausgedehnte Fern-(Sport & Abenteuer-) Reisen.

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